| Thursday, 03.10.2019 Liminalität in Museen und Sammlungen

Liminale Objekte am Beispiel der Provenienzforschung

Ausgehend von der Grundannahme, dass Objekte über eigene Biographien verfügen, wird in der Provenienzforschung ein Kunstwerk anhand seiner Eigentums-/Besitzhistorie analysiert und bewertet. In der Geschichte von Objekten, deren Zugehörigkeitsverhältnisse zur Diskussion stehen, finden sich Phasen, die man unter dem Begriff „Liminalität“ subsumieren kann. Als „liminale Objekte“ werden sie jedoch nicht im Sinne einer magischen Funktion während eines Übergangsritus verstanden, sondern sie selbst unterliegen dem Prozess eines Wandels in Bezug auf ihren Status als Teil einer Sammlung, vergleichbar mit der Rolle als Mitglied einer Gemeinschaft.

Im Zuge dieser Herangehensweise wird ein konkreter Fall der Landessammlungen Niederösterreich exemplarisch vorgestellt. Der strukturalistischen Methode binärer Gegensatzpaare folgend, werden Dichotomien wie etwa „Schweigen/Sprechen“ mit konkreten Beispielen aus der Provenienzforschung belegt. Manche Kunstwerke „erzählen“ deutlich mehr als andere, etwa wenn Signaturen der KünstlerInnen vorhanden sind oder sich auf der Rückseite Verweise auf frühere EigentümerInnen finden lassen.

Anhand der Provenienz Rudolf von Alts Aquarells „Holzschiff auf der Donau vor Dürnstein“, das als NS-Raubgut identifiziert wurde, wird ein Beispiel gebracht, bei dem innerhalb weniger Jahrzehnte ein Kunstwerk gleich mehrmals im liminalen Zustand einer Übergangssituation verharren musste. Das umfasst ausgehend vom Zwangsverkauf 1939 die Phase der Zwischenlagerung unter den Kunstschätzen von Altaussee sowie eine erste Rückstellung 1949, die jedoch durch ein Ausfuhrverbot seitens der Republik Österreich in Kombination mit einem Vorkaufsrecht des Landes Niederösterreich de facto behindert wurde. Die gesetzlichen Änderungen in Bezug auf Kunstrückgaben 2009 führte zu einer Neubewertung und in Folge zur noch ausstehenden Rückstellung an die Erbinnengemeinschaft, die Ende 2019 erfolgen soll.

Die Landessammlungen Niederösterreich tragen in der Rechtsnachfolge des Landesmuseums Niederösterreich auch die Konsequenzen der Aktivitäten des Gau-Museums Niederdonau und betreiben Provenienzforschung innerhalb der Sammlungsbestände, um bei Handlungsbedarf entsprechend dem Regierungsbeschluss von 2002 in Form von Naturalrestitution zu reagieren.

In gewisser Weise kann man die für rites de passage gängige Zweiteilung von „Besitz/Besitzlosigkeit“ auch so deuten, dass durch die gezielte Rückgabe von Sammlungsobjekten an die rechtmäßigen EigentümerInnen auch Institutionen wie die Landessammlungen Niederösterreich einem kathartischen Prozess unterliegen und im Sinne eines hohen ethischen Anspruchs einen liminalen Zustand hinter sich lassen.